top of page

Drei Schritte, dann zu Boden – Über Schmerz, Hingabe und Glauben

  • Autorenbild: Martina Klein
    Martina Klein
  • 11. Mai
  • 3 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 14. Mai

Ein Bild das bleibt

Es ist Vesak Day in Singapur – der Tag, an dem Millionen Menschen weltweit Buddhas Geburt und Erleuchtung gedenken. Ich bin am Bright Hill Tempel, einer der größten buddhistischen Anlagen Singapurs. Dort findet an diesem Tag die Three Steps, One Bow Zeremonie statt, die ich noch nie erlebt habe – und die mich nicht loslässt.

Meditation in Bewegung

Es ist halb sechs abends und immer noch ziemlich warm. Eine einzige, immer gleiche Melodie tönt aus Lautsprechern. Meditativ. Fast hypnotisch. Sie begleitet die Bewegung, sie trägt die Gläubigen, sie füllt den Raum zwischen den Schritten.

Drei Schritte – dann sinken sie auf die Knie, lassen sich nach vorne fallen, legen Stirn, Hände und Füße auf den Boden. Wieder aufrichten. Drei Schritte. Und wieder niederfallen. Das Ganze soll die Nacht durch bis sieben Uhr am frühen Morgen gehen.

Hingabe mit jedem Atemzug

Voran gehen Mönche in orangefarbenen und braunen Gewändern. Dahinter reiht sich eine nicht enden wollende Prozession von Gläubigen: Junge und Alte. Alle mit ernster Miene, mit langsamen Bewegungen. Mit einer Hingabe, die mir unter die Haut geht.

Diese Zeremonie – Three Steps, One Bow – ist eine uralte buddhistische Praxis. Sie soll reinigen, fokussieren, das eigene Ego loslassen helfen. Jeder Kniefall ist ein Akt der Demut. Der Körper verneigt sich – und die Seele folgt. Die Musik gibt den Takt. Langsamkeit wird zur Andacht. Man kann sich kaum entziehen, wenn man es beobachtet. Und man kann sich kaum vorstellen, wie anstrengend es ist, es selbst zu tun.

Glaube und Entbehrung – ein universelles Muster

Ich bleibe einige Zeit stehen. Beobachte. Und frage mich: Warum ist Religion so oft mit Entbehrung verbunden? Warum sind körperliche Schmerzen, Strapazen oder Verzicht so tief in vielen Glaubenstraditionen verankert?

Auch unser Christentum kennt solche Wege: Menschen fasten, pilgern barfuß nach Santiago, knien nieder, gehen den Kreuzweg, leben klösterlich enthaltsam. Was suchen wir in solchen Erfahrungen? Läuterung? Nähe zu Gott? Befreiung vom Überfluss? Vielleicht ist es genau das: Wenn der Körper sich verneigt, öffnet sich der Blick nach innen. Wenn ich mich selbst nicht mehr im Mittelpunkt sehe, sehe ich Gott vielleicht klarer.

Glaube zum Spüren

Ich frage mich, wo mein eigener Glaube körperlich wird. Wann ich mich hingebe. Ob ich etwas aushalte – nicht, weil ich muss, sondern weil ich will. Wo in meinem Leben Glaube nicht nur gedacht, sondern gelebt wird. Wo ich mich nicht nur aufrichte – sondern auch niederwerfe, im Vertrauen, dass ich gehalten bin.

Nein, ich muss mich nicht auf heißem Asphalt verneigen. Aber ich darf lernen, mein Innerstes hinzulegen – im Gebet, in Stille, in ehrlicher Begegnung mit Gott. Vielleicht ist Hingabe manchmal unbequem. Aber sie ist auch schön. Und heilsam.

„Demütigt euch unter die mächtige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit.“ (1. Petrus 5,6)

Interreligiöse Offenheit als Segen

Was mich an Singapur immer wieder beeindruckt, ist die Nähe zwischen den Religionen – räumlich, aber auch menschlich. Der buddhistische Tempel ist nur wenige Straßen vom Pfarrhaus entfernt. Moscheen, Kirchen, Tempel – sie stehen in Sichtweite zueinander. Und wir begegnen uns: beim Feiern, beim Fragen, beim Staunen.

Für mich als Christin ist es bereichernd, solche Rituale mitzuerleben – nicht um sie nachzuahmen, sondern um tiefer zu verstehen, wie vielfältig der Weg zu Gott sein kann. Interreligiöser Respekt beginnt mit dem aufmerksamen Hinsehen. Mit dem Staunen darüber, wie Menschen glauben – und mit der Demut, dabei auch den eigenen Glauben neu zu spüren. (Martina Klein)


Evangelisch in Singapur!

Deutschsprachige Evangelische Gemeinde in Singapur.

Comments


bottom of page